Der neben einer Kirche von Holzmeister gelegene Friedhof aus den 1920er-Jahren wurde erweitert und um eine kleine Totenkapelle ergänzt. Das bestehende Ensemble aus Kirche und Friedhof besteht aus zwei eigenständigen Elementen, die selbstbewusst nebeneinander situiert sind, inmitten von einem weiten, offenen und ländlichen Umfeld.
Das Konzept des Projektes erweitert diese Grundstruktur um ein weiteres Element, das sich über eine Rampe respektvoll von dem alten Friedhof absetzt. Die traditionelle Art der Abgrenzung mit umfassenden Mauern wird durch die Schaffung eines raumdefinierenden, niedrigen Plateaus ersetzt. Am äußersten Rand dieses Plateaus erhebt sich die dezente Randumfriedung zu einer quaderförmigen Totenkapelle, die den kirchlichen Raum vom weltlichen markiert.
Die durch ihre klare reduzierte Form bestechende Kapelle eröffnet einen Dialog zwischen „traditionell“ und „zeitgenössisch“. Das respektvolle Nebeneinander hebt die Qualitäten des alten Friedhofs nicht auf, sondern macht sie bewusster. Das Neue kommt dem Alten somit nahe, ohne es räumlich oder formal zu berühren oder zu verletzen.
Die Entscheidung, die Kapelle und Umfriedung in Stampflehm auszuführen, nimmt Bezug auf die bestehenden Gebäudeensemble und stellt außerdem einen zweckgebundenen poetischen und physischen Bezug her. Der Lehm in Verbindung mit der starken Zurückhaltung des Raums verleiht der Kapelle eine große Kraft und Ruhe, was physisch spürbar ist. In diesem Raum, in dem Lebende der Toten gedenken, macht der Besucher diese Erfahrung direkt und ohne Prunk.
Das Sonnenlicht, das durch eine schlitzförmige Öffnung im Dach der Rückwand beleuchtet, bedeutet in diesem Raum Leben. Ein seitlicher Lichtschlitz direkt über dem Boden relativiert die Schwere der Lehmwände. Die eintretende leichte Verwitterung der Oberfläche lässt den reversiblen Kreislauf des Lehms sichtbar werden – Parallelen zum Kreislauf von Geburt und Tod sind daraus zu erahnen.
Die Ausführung des Projektes erfolgte durch Martin Rauch. Die Besichtigung bestehender Lehmbauten begeisterte die Gemeindemitglieder so sehr für die Stampflehm Bauweise, dass einige Bewohner selbst Hand mit am Bau anlegten. Der Lehm wurde ohne jeden chemischen Zusatz in etwa 12 cm hohen Schichten fugenlos zwischen Schalungen eingebracht und mit Handmaschinen verdichtet. Alle 4 bis 5 Stampflagen wurden erdfeuchte Mörtelstreifen mitgestampft um die Oberflächenstabilität gegen Erosion zu stärken. Präzise Verarbeitung, sorgfältige Detaillierung und der gezielte Einsatz von Stahlbewehrungen garantieren dem Gebäude trotz seiner witterungsungeschützten Lage eine lange Lebensdauer. Lediglich die Abdeckungen der Umfriedung sind aus witterungsbeständigen, trasskalkgebundenen Platten.