Die Kapelle ist der Nachfolgebau der auf dem ehemaligen Todesstreifen an der Berliner Mauer situierten Versöhnungskirche, die 1985 gesprengte wurde. Nach der Maueröffnung erhielt die Gemeinde das Baugrundstück zurück und baute auf den Fundamenten der alten Kirche für die Gemeinde und für Besucher der nahen »Mauergedenkstätte« die Kapelle als einen Ort der Besinnung und Andacht auf.
Die neue, erheblich kleinere Kapelle wurde im hinteren Grundstücksbereich der alten Kirche errichtet, und außermittig angeordnet. Der Baukörper lässt so der ehemaligen Kirche Raum, deren Fundamente im Erdreich noch vorhanden sind. Der Eingang von der Straße ist durch eine schlichte Glockenstube markiert, in der die alten, geretteten Glocken heute wieder läuten.
Der Gottesdienstraum basiert auf einem Kreis als Versammlungsform und übersetzt die traditionellen Elemente eines Kirchengrundrisses – Chor, Hauptschiff und Vorhalle – in eine moderne Formsprache. Die Stellung des massiven Kerns wurde bestimmt durch die Lage des alten Altarbildes, das von der zerstörten Kirche gerettet wurde. Die Dehnungen der Kreisform zu einem ovalen Kirchenraum ergibt sich aus der Überschneidung der östlichen Ausrichtung der neuen Kapelle und der Achse der ehemaligen Kirche. Um diesen festen Kern bildet eine umlaufende zweite »Hülle«, die aus einer durchsichtigen Holzlamellen-Konstruktion besteht, einen ringförmigen Raum, der als Wandelgang und als Übergang zwischen der Außenwelt und dem Gottesdienstraum dient.
Für die Gemeinde kam die Verwendung von Beton, Baumaterial der Berliner Mauer, nicht in Frage. Statt dessen wurden die Wände des inneren Gottesdienstraumes aus 60 cm dickem selbsttragenden Stampflehm gebaut. Diese bisher in Berlin nicht angewendete Lehmbauweise erforderte ein eigenes Zulassungsverfahren, das detaillierte Materialanalysen zur Standsicherheit und eine baubegleitende Überwachung durch Gutachter vorschrieb. 390 t Erdmaterial aus der Umgebung von Berlin wurden für die Lehmwände und den Fußboden verbaut und mit zerkleinertem Ziegelgranulat aus Ziegelresten des Vorgängerbaus gemischt. Die Mischungsrezeptur wurde durch die Lehmbaufirma und Gutachter in mehreren Versuchsreihen ermittelt. Schichtweise wurde die Lehmmixtur zwischen der gebogenen Schalung eingebracht und gestampft. Die Stampflehmarbeiten erfolgten durch regionale Lehmbaufirmen und Freiwillige unter Anleitung von Martin Rauch.
Die Festigkeit der umschließenden 7m hohen Wände mit ihrer horizontalen Schichtung verleiht dem Innenraum Ruhe, Konzentration und Geborgenheit. Dieser feste Kern steht für die Stärke der Gemeinde. Die äußere Schale aus senkrechten unbehandelten Holzlamellen umhüllt den inneren Kern, lässt ihn aber nach außen sichtbar erscheinen. Die kontrastierende Leichtigkeit der äußeren Hülle soll die Fragilität und Verletzbarkeit von Frieden und Versöhnung andeuten.
Bei einer so großen Lehmwand spielt die Qualität des Materials und der Ausführung eine sehr wichtige Rolle. Bei der Austrocknung schrumpft der Lehm, es entstehen große Spannungen. Durch eine geeignete Mischungsrezeptur, die Erfahrung der Beteiligten und kontinuierliche Überwachung ko-nnten die Wände rissfrei ausgeführt werden.
Auch der Boden und neue Altar wurden aus gestampftem Lehm hergestellt. Der Boden ist zusätzlich mit Naturwachs bearbeitet und vermittelt eine Verbindung zur Erde. Der neue schlichte Altar aus Stampflehm gibt die östliche Hauptrichtung des ovalen Raumes vor. Am Ende der Achse des Vorgängerbaus gibt eine lange Öffnung in der Lehmwand die Sicht auf eine hohe Nische mit dem geretteten Altarbild aus der emaligen Versöhnungskirche frei. Unter der Nische, sichtbar durch ein Fenster im Boden, befinden sich die Fundamente des Altbaus und die Kellertreppe, die nach dem Mauerbau von den Grenztruppen verschlossen wurde. So ist im Gottesdienst in der neuen Kapelle die Erinnerung an das Vergangene immer gegenwärtig.