LEHM 2008 – Rückblick
Die Lehm 2008 – ein weiterer Meilenstein der weltweiten Vernetzung im Lehmbau
So können wir die Veranstaltung im wahrsten Sinne des Wortes und ohne Übertreibung nennen. Der Dachverband Lehm e. V. kann mit Recht stolz sein auf seine Gastgeberrolle für die 5. Internationale Fachtagung zum Lehmbau. 170 Teilnehmer aus 24 Ländern von 5 Kontinenten besuchten diese Tagung vom 10. bis zum 12. Oktober 2008, die unser Verband organisiert und durchgeführt hat. Dieses Mal in Kooperation mit der GD Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz, dem Landesmuseum und der Handwerkskammer Koblenz an einem sehr geschichtsträchtigen Ort, nämlich auf der Festung Ehrenbreitstein gegenüber der Moselmündung in den Rhein beim Deutschen Eck in Koblenz.
Beeindruckend ist die Burgkulisse. Hohe Steilhänge begrenzen die alte preußische Festung, nur von Norden her ist sie zugänglich. Auf dem Rhein ist dichter Schiffsverkehr mit Gütern und Touristen. Weit geht der Blick über die von goldenen, roten und gelben Farbtupfern bemalte Landschaft, nachdem der verhüllende Morgennebel endlich gewichen ist. Der Herbst bescherte uns mit wärmendem Sonnenschein zur Mittagsstunde noch die Möglichkeit draußen im Restaurantgarten genüssliche Ruhepausen einzulegen und dabei nur auf Wespen aufpassen zu müssen, die Kuchen, das Mittagessen und Säfte mit uns teilen wollten. Einige glücklicherweise harmlose Stiche konnten uns die gute Laune nicht verderben.
Recht kühl war der Festungskirchenraum, in dem getagt wurde. Aber dicke Pullover, Schals und Jacken, sowie die stete „Gehirnanregung“, die durch die hohe Qualität der Vorträge und Poster hervorgerufen wurde sorgten bald für eine allgemeine Erwärmung des Raumes, der nach Herbeischaffung zusätzlicher Stühle bis auf den letzten Platz gefüllt war. Fleißig wurde simultan ins Deutsche und Englische übersetzt. Wo die Übersetzer nicht mehr mitkamen, sprangen kompetente Besucher und/oder DVL-Mitglieder ein.
Richtig warm ums Herz wurde uns dann am Abend beim Empfang und Buffetdinner im Barockschloss Engers in der Nähe von Neuwied. Das spätbarocke Schlossgebäude, das heute die Geschäftsstelle der Landesmusik-Stiftung Villa Musica mit einem Museum für alte Musikinstrumente und Gemälde beheimatet, hat auch ein tolles Restaurant im Schlosskeller. Dort warteten dann besondere Gaumengenüsse auf die Teilnehmer der Lehm 2008, ein leckeres Buffet und edle Weine der Region, die nur hier an den Steilhängen des rheinischen Schiefergebirges wachsen und gedeihen. Nach dem doch recht straffen Tagungsprogramm nutzten viele die Gelegenheit, beim Wandeln durch die Säle und auf der Rheinterrasse Gedanken auszutauschen. Bei den vielen Gesprächen miteinander wurden enge Kontakte geknüpft, bis spät in die Nacht hinein. Die Improvisationen des Pianisten am Klavier untermalten dabei die angeregten Gespräche angenehm.
Sehr interessant und informativ war auch die im Rahmen der Fachtagung organisierte Lehmbau-Fachmesse in der gerade sanierten Rheinbastion. Leider fanden sich trotz umfangreicher Werbung nur wenige Besucher dort ein, obwohl hier einige unserer Firmenmitglieder wie immer recht engagiert ihre Angebote ausstellten und unser Mitglied Manfred Fahnert ein Modell der Festungsdachkonstruktion mit dickem Lehmgewölbe als „Aktion“ nachgebaut hat. Kanonenkugeln sollten bei Beschuss der Festung im Lehm steckenbleiben – der Lehm als „Kriegstechnik“!
Die Begegnung mit unseren Kollegen und Kolleginnen aus dem Ausland war sehr befruchtend. Und der Austausch mit ihnen sehr bereichernd. Das, was wir im Dachverband seit 1992 erreicht und wofür wir die Weichen im Bildungsbereich, Regel- und Normungswerk, sowie in der Lehmbaustoffproduktion und im Lehmbau in unserem Land gestellt haben, ist beispielgebend. Viele neue Lehmbauverbände sind in der Zwischenzeit im europäischen und außereuropäischen Ausland gegründet worden. Sie müssen noch die Hürden überwinden, die wir bereits hinter uns haben. Aber in der Gemeinsamkeit sind wir stark. Wir helfen uns gegenseitig. Dafür ist die Fachtagung ein hervorragendes Beispiel gewesen.
Hochkarätige Vorträge und Poster führten uns nach Österreich, Spanien, Ghana, Thailand, Frankreich, Nigeria, Polen, Südkorea, England, Indien, Venezuela, Bangladesch, Malaysia, Estland, Mexico, Tschechien, Marokko, Iran und in die USA. Und natürlich in die verschiedenen Regionen der Bundesrepublik Deutschland. Sechs Themenschwerpunkte waren vorgegeben:
- Normung im Lehmbau
- Aus- und Weiterbildung im Lehmbau
- Aktuelle Forschungsergebnisse im Lehmbau
- Informationsnetzwerke im Lehmbau
- Aktuelle Probleme der Lehmbaupraxis
- Forum neue Projekte und beispielhafte Sanierung.
Das Programm war zeitlich sehr eng geplant und setzte ein gewisses Maß an Disziplin bei den Vortragenden voraus, sich an die gegebene Zeit zu halten, damit die Tagungsteilnehmer Fragen stellen konnten. Bei 21 Vorträgen waren auch die Moderatoren (Mitglieder) gefordert. Selbst kleinere Übersetzungshürden und das Herumschicken des Mikrofons wurden schließlich gemeistert. 23 Poster, teilweise sehr attraktiv gestaltet, rundeten die Darbietungen ab.
Ein wertvolles und begehrtes Dokument ist, wie schon 2004 der Tagungsband, den jeder Teilnehmer erhalten hat und der im Geschäftsführenden Sekretariat für € 50,00 zuzüglich Versandkosten (für Auslandpost, in Deutschland ist der Band versandkostenfrei) bezogen werden kann. Darin sind alle Vorträge und Posterbeiträge in Deutsch und Englisch aufgeführt.
Freitag (am 10.10.) und Samstag (am 11.10.) waren die Vortragstage. Am Sonnabendnachmittag fand die Mitgliederversammlung unseres Verbandes statt. Am Sonntag bot der DVL drei Exkursionen an. Eine führte zu neuen Lehmbauten und Produktionsstätten in der Region, eine andere zu historischen Lehmbauten in Koblenz, Limburg und Weilburg, die dritte nach Xanten zum Archäologischen Park zur Besichtigung der Rekonstruktion historischer Stampflehmbauten. Die beiden ersten Exkursionen begannen ihr jeweiliges Programm gemeinsam in Koblenz–Neuendorf bei unserem Mitglied Gerd Meurer zur Besichtigung der Sanierung eines alten Fährhauses am Rhein und Umbau desselben in sein Wohn- und Geschäftshaus.
Die Fahrt zu den neuen Lehmbauten und Lehmbauprodukten führte nach dem Besuch bei Gerd Meurer zu KTS, den Klärlicher Ton- und Schamottewerken (Mannheim & Co. KG). Dort wurde die Lehmgrube besichtigt und die Produktpalette vorgestellt. Danach ging es zum Haus „Harmonie“, einem Altenpflegeheim in Hohenleimbach. Dort erklärte der Architekt Udo Heimermann den in organischer Lehmbauweise errichteten Bau.
Ich kann nur von der historischen Exkursion berichten, an der ich teilgenommen habe und die ihre Höhepunkte beim Durchwandern des alten Stadtkerns von Limburg mit seinen vielen alten, gut erhaltenen Fachwerkhäusern und der Besichtigung der alten Stampflehm (Pisé) Häuser in Weilburg hatte. Als Ergebnis davon hatten einige von uns recht schwere Beine vom vielen Treppensteigen hoch und runter, mich mit eingeschlossen. Aber wer nimmt das nicht gerne in Kauf bei solchen Massen von historischen Lehmbauperlen, umgeben von roten und goldgelben Herbstblättern der schönen alten Bäume, vor allem im Weilburger Schloss.
In Xanten führten Dr. Kienzle und Christof Ziegert die Teilnehmer durch die interessante Anlage im Archäologischen Park, über die bereits bei den Vorträgen berichtet worden ist. Neuer „römischer“ Stampflehmbau zum Anfassen. Am Koblenzer Hauptbahnhof trennten wir uns dann am frühen Abend des Sonntags. Manche von uns hatten kurze Wege bis nach Hause – manche doch recht lange. Mögen die Eindrücke, die vermittelt wurden noch lange nachwirken!
Das erste „Feedback“ hat uns schon erreicht. Alles in allem wurde große Hochachtung für die gelungene Durchführung der internationalen Fachtagung Lehm 2008 zum Ausdruck gebracht und Bewunderung für das anspruchsvolle Tagungsprogramm. So wollen wir uns nun schon das Jahr 2012 vormerken für die nächste internationale Fachtagung zum Lehmbau des DVL und zur gemeinsamen Feier des 20-jährigen Jubiläums vom Dachverband Lehm e.V.! Dann soll sich zeigen, wie weit die diesmal bestätigte Vernetzung im Lehmbau fortgeschritten ist. Mit diesem „Networking“ möchten wir zeigen, wie wirksam, effektiv und nutzvoll „Globalisierung“ sein kann.
Hannah Schreckenbach, 20. Oktober 2008
Magdeburg
Der Dachverband Lehm e.V. dankt allen Referenten und Teilnehmern recht herzlich für ihr Engagement und ihre Beteiligung an der LEHM 2008, womit sie wesentlich zum Erfolg der Konferenz beigetragen haben!
Ein Errata-Beiblatt zum Tagungsband kann hier heruntergeladen werden.